Wie eng darf ein Nasenriemen sein?

Wie eng darf ein Nasenriemen sein?

Diese Frage sorgt seit Jahren für hitzige Diskussionen. Nun hat die FEI mit einem neuen Kontrollwerkzeug einen Standard geschaffen, um die Straffheit objektiv zu messen. Eine gute Entwicklung – oder doch eine fragwürdige Maßnahme?

Jeder von uns kennt die Zwei-Finger-Regel zur Überprüfung des Nasenriemens. Doch die Frage, wie diese korrekt anzuwenden ist, sorgt immer wieder für Verwirrung. Mit dem neuen FEI-Messgerät soll nun Klarheit geschaffen werden: Ein Keil aus weichem Kunststoff wird unter dem Nasenriemen über dem Nasenbein durchgezogen – bleibt er hängen, sitzt der Riemen zu fest.

Ab Mai 2025 wird dieses Kontrollsystem verpflichtend auf FEI-Turnieren eingeführt. Ziel ist es, das Wohl der Pferde im Sport weiter zu schützen. Nationale Verbände können jedoch eigene Zeitpläne zur Umsetzung festlegen. Doch ist das wirklich die Lösung für alle Probleme?

Jedes Pferd ist anders!

Pferde sind Individuen – mit unterschiedlicher Anatomie, Ausbildung und Bedürfnissen. Ein zu lockerer Nasenriemen kann genauso problematisch sein wie ein zu fester. Manche Pferde brauchen mehr Stabilität, damit das Zaumzeug sicher im Maul liegt, andere profitieren von mehr Freiheit.

Ein zu fester Nasenriemen kann unter anderem die Durchblutung beeinträchtigen, Druck auf sensible Gesichtsnerven ausüben sowie die Beweglichkeit des Kiefergelenks und die Atmung einschränken.
Auch die anatomisch korrekte Lage des Riemens spielt eine entscheidende Rolle: Er sollte auf dem festen Teil des Nasenbeins liegen, nicht zu tief oder zu weit oben.

Es geht nicht nur um fest oder locker, sondern um das Gesamtbild! Das Zaumzeug muss zum Pferd, zur Anatomie und zum Ausbildungsstand passen. Vielleicht ist es mal einen Versuch wert, den Nasenriemen ein Loch weiter zu schnallen – manchmal macht eine kleine Veränderung einen großen Unterschied!

Natürlich ist es wichtig, Missstände zu beheben. Aber ist ein standardisiertes Messgerät die Lösung? In unserem Praxisalltag sehen wir täglich, wie wichtig eine individuelle Betrachtung ist. Pferdebesitzer, Trainer und Reiter tragen die Verantwortung, ihr Pferd als Ganzes zu betrachten – nicht nur den Nasenriemen.

Das Problem liegt tiefer – und beginnt beim Vorbild

Wenn es wirklich um das Wohl der Pferde geht, sollten wir vielleicht auch andere Dinge überdenken, wie den Einsatz der Kandare oder Schlaufzügel. Denn das Einführen eines Messgeräts auf internationalen Turnieren ändert nichts an der Problematik eng verschnallter Sperrriemen auf nationalen und ländlichen Turnieren, sowohl im Amateur- als auch im Profibereich.

Doch das Problem ist nicht nur die einzelne Methode, die hier und da kritisiert wird. Vielmehr ist es das gesamte System, das sich über verschiedene Ebenen erstreckt. Die Anforderungen, die Pferd und Reiter auf Turnieren erfüllen müssen, sind oft nur mit enormem Trainingsdruck erreichbar. Wenn Erfolg nicht durch eine faire und nachhaltige Ausbildung, sondern durch fragwürdige Methoden und schnelle Lösungen erzielt wird, verliert der Sport seinen eigentlichen Wert.

Eigentlich sollten Profireiter als Vorbilder für Amateure und Freizeitreiter fungieren. Doch was passiert, wenn genau diese Vorbilder nicht die besten Praktiken vorleben, sondern sich selbst den Zwängen des Systems unterwerfen? Wenn Richter, Verbände und wirtschaftliche Interessen den Wettkampfsport in eine Richtung lenken, in der nicht das Wohl des Pferdes, sondern Titel, Medaillen und finanzielle Gewinne im Vordergrund stehen, gerät die Balance aus den Fugen.

Geld mit Pferden zu verdienen ist legitim, doch nicht um jeden Preis. Wenn wirtschaftlicher Druck und ein verzerrtes Leistungsdenken dazu führen, dass Pferde in eine ungesunde, viel zu schnelle Ausbildung gepresst werden, muss die Frage gestellt werden, ob hier wirklich noch das Tier im Mittelpunkt steht. Ein standardisiertes Messgerät allein wird daran nichts ändern – es braucht ein Umdenken auf allen Ebenen, vom ambitionierten Amateur bis hin zu den höchsten Entscheidungsträgern des Sports.

Wir als Ausbilder, Trainer und Reiter sind gefragt, unser Coaching entsprechend anzupassen und uns mit der Materie zum Wohle des Tieres auseinanderzusetzen – unter Berücksichtigung des Ausbildungswegs, des Alters, der Anatomie und des Nervenkostüms unserer Pferde.

Was denkst du? 💬
Die neue FEI-Regelung sorgt für Gesprächsstoff. Wie steht ihr dazu? Ist das Kontrollwerkzeug ein Fortschritt oder eine weitere bürokratische Maßnahme? Schreibt uns eure Meinung in die Kommentare! 😊

👉 Ich arbeite als Tierheilpraktikerin, Pferdephysiotherapeutin und Trainerin mit einem ganzheitlichen Blick auf Pferd und Reiter.
💬 Bei Fragen rund um Ausrüstung, Gesundheit und pferdegerechte Ausbildung stehe ich euch gerne zur Verfügung.